· 

Dufte Texte - Müffelnde Storys

Wie Gerüche unsere Texte (und unsere Leben) lebendig machen!

Als Schreibcoach weiß ich: Um einen Text so zu gestalten, dass er unter die Haut geht, braucht es Details – und kaum ein Detail wirkt so unmittelbar wie der Geruch.

 

Gerüche sind Erinnerungsanker, Emotionsträger und schaffen Atmosphäre, sie haben also einen geheimen Zugang zu dem, was unter unserer Haut stattfindet. Also her damit für unsere Texte.

 

Doch wie gelingt es, diese flüchtigen Sinneseindrücke in Worte zu fassen?

 

In diesem Blogbeitrag erfährst du, warum Gerüche beim Schreiben so kraftvoll sind, welche Herausforderungen ihre Beschreibung mit sich bringt und wie du sie gekonnt in deine Texte integrierst.

Warum Gerüche so intensiv wirken - Psychologie und Physiologie

Der Geruchssinn ist evolustionstechnisch gesehen unser ältester Sinn. Wir hatten diese schon, als wir Lebenwesen noch nicht aus dem Wasser gekrochen sind. Das Geruchsvermögen ist eng mit dem limbischen System verbunden – dem Zentrum für Emotionen. Und der Geruchsinn ist ein super Vermittler zwischen Emotionen und Erinnerungen.

 

Wenn du in einer bestimmten Situation, in der du intensive Gefühle erfahren hast, einen bestimmten Geruch wahrnimmst, so wird dieser mit der Erinnerung der Situation und den damit ausgelösten Gefühlen gekoppelt. Wenn du das nächste Mal den gleichen Geruch wahrnimmst – wo auch immer: Zack! Erinnerung da! Gefühl wieder da!

 

So läuft das ungefähr: Beim Camping brennt ein Nachbarzelt ab. Es stinkt nach Plastik. Geschrei. Hektik. Die Leute müssen schnell unter der brennenden Plane rausgezogen werden. Wann immer es jetzt nach genau diesem verkohlten Plastik riecht, ist alles wieder da!

Die Panik. Die Bilder. Die Angst um die Leute im Nachbarzelt. 

 

Ein einziger Duft kann uns in Bruchteilen von Sekunden in die Vergangenheit katapultieren, Freude, Ekel oder Sehnsucht auslösen.

 

Diese direkte und blitzschnelle Verbindung erklärt, warum Gerüche in literarischen Texten so wirkungsvoll sind: Sie sprechen Leser:innen auf einer tiefen, oft unbewussten Ebene an.

 

Was versteht man unter Geruch?

Chemisch betrachtet handelt es sich bei Riechstoffen um flüchtige Moleküle aus Kohlenstoff, Wasserstoff, Sauerstoff, manchmal noch Stickstoff oder Schwefel. Wenn diese verdampfen gelangen sie in unsere Nase, treffen dort auf Riechzellen und lösen ein Signal aus: Ah, hier riecht doch was! Könnte brennende Zeltplane sein. Oh, nein! 

 

Rund tausend Gene sind alleine damit beschäftigt, das Riechen in Fahrt zu bringen. Allerdings sind nur ungefähr ein Drittel davon noch aktiv bei uns Menschen. Aber man kann sagen, so Prof. Dr. med. Hanns Hatt, es gibt ungefähr 350 Typen an Riechrezeptoren in unserem System, mit denen wir schnüffeln können. Und jeder davon ist für genau einen Geruch zuständig. Wir sind also in der Lage 350 Einzelgerüche zu identifizieren – ganz egal ob wir deren Namen kennen oder nicht.

 

Aber hey, es gibt ja viel mehr Gerüche als 350! 

Die meisten Gerüche, insbesondere Parfüms, bestehen aus vielen verschiedenen Einzelgerüchen, die miteinander kombiniert werden. Teilweise bestehen die aus hundert oder mehr Einzelgerüchen. Das macht die Sache natürlich komplizierter. Vor allem, wenn wir einen Duft beschreiben wollen.

 

By the way: Riechrezeptoren befinden sich im ganzen Körper. Nicht nur in der Haut. Wir können auch mit den Fußsohlen riechen und mit unseren Organen. Sogar Spermien können riechen. Sie stehen wohl besonders auf Maiglöckchenduft. 

 

Zurück zum Thema: Wie beschreiben wir denn jetzt eigentlich einen Geruch literarisch am effektivsten? 

Gerüche beschreiben: Worte für das Unsichtbare

Gerüche sind schwer zu beschreiben, weil unsere Sprache visuell geprägt ist. Es fehlen oft die passenden Worte, um einen Duft präzise zu erfassen.

 

Zudem sind Geruchserlebnisse subjektiv – was für die eine Person angenehm ist, kann für eine andere abstoßend sein.

 

Aber wie wir oben gelernt haben, kennen wir 350 unterschiedliche Gerüche. Dann müssten man die doch auch benennen können, oder? Tja, aber wir haben bei weitem nicht so viele Begriffe, die mit Düften kombiniert werden. Hier besteht sprachlicher Nachholbedarf. 

 

4 Tipps für die Beschreibung von Gerüchen:

  1. Vergleiche nutzen: Beschreibe einen Geruch durch Vergleiche mit bekannten Düften oder Situationen. Beispiel: “Der Duft erinnerte an frisch gemähtes Gras an einem Sommertag.” Oder damit es nicht ganz so romantisch wird: "Hier riecht es wie abgestandene Gummistiefel mit Hühnerdreck."

  2. Synästhesie einsetzen: Verbinde den Geruch mit anderen Sinneseindrücken. Beispiel: “Ein süßer Duft, der wie eine sanfte Melodie durch den Raum schwebte.” Oder eher was für Bodenständige: "Es roch wie die Farbe von seinem Pullover: undefinierbar, ausgeblichen und so unbedeutend, dass man sich später nicht daran erinnern konnte." 

  3. Emotionen einbinden: Welche Gefühle ruft der Geruch hervor? Beschreibe diese, um den Duft greifbarer zu machen. Beispiel: "Als sie ihren Sohn in der Sporthalle abholte, nachdem dort zwanzig Pubiertierende zwei Stunden alles gegeben hatte, schlug ihr ein Geruch entgegen, der ihr das Mittagessen die Speiseröhre hinauftrieb." 

  4. Konkrete Adjektive verwenden: Worte wie “herb”, “würzig”, “faulig”, "rosig" oder “blumig” helfen, den Geruch genauer zu charakterisieren.

Geruchswörter: Das Luft-Lexikon

Doch wie können wir unsere geruchliche Sprachlosigkeit jetzt abschütteln und uns im Riech-Schreiben trainieren? 

 

Während an der Universität Jena ein Lexikon der Körpergerüche in diversen Landessprachen erarbeitet wurde, das aber nur schwer zugänglich ist, sucht man im Internet ziemlich erfolglos nach brauchbaren Listen von Geruchswörtern. 

 

Das ist hier habe ich gefunden, das ich schon mal ziemlich hilfreich finden, wenn man seinen Wortschatz in Sachen Geruch erweitern will: 

Das Duft-Lexikon von "Aus Liebe zum Duft". 

 

Doch das wir Gerüche schlecht beschreiben können, liegt nicht an unserem sprachlichen Unvermögen. Es hat kulturelle Gründe: Der Geruch wurde (und wird) eher als niederer, als animalischer Sinn bezeichnet. Er entzieht sich unserer Kontrolle. Daher galt es lange als unschick, sich mit ihm zu befassen.

 

Und bis heute scheuen wir das Riechen, besonders den eigenen Körpergeruch. Unsere Welt wird immer geruchsneutraler.

 

Wir vertrauen lieber auf unsere Augen als auf unsere Nase - zumindest denken wir das. Was das Unterbewusstsein dazu zu sagen hat, ist eine andere Frage. Gerüche sind eher zu meiden, besonders solche, die wir nicht als wohlriechend wahrnehmen.

 

Pfui! Weg damit! Kein Wunder also, wenn uns die Worte fehlen! 

Besonders für das, was aus unseren Poren dünstet.

 

Gerüche helfen uns beim Schreiben nicht nur, einen Raum, eine Gegend oder eine Situation zu beschreiben. Wir können auch Figuren ausdünsten oder die Wolke um andere wahrnehmen lassen - ein Schatz, den du literarisch unbedingt mal heben solltest. 

Körpergeruch: eine heikle Sache

Gerüche sind nicht nur biologische Phänomene – sie sind auch kulturell stark aufgeladen. Besonders der Geruch anderer Menschen kann in sozialen Situationen ambivalent oder sogar unangenehm sein. Warum ist das so?

 

In westlichen Kulturen wird Körpergeruch häufig als Tabu betrachtet. Er steht in Verbindung mit Intimität, Nähe und Kontrollverlust – drei Aspekte, die wir in öffentlichen oder formellen Kontexten oft vermeiden. Riecht jemand “nach Schweiß”, wird das schnell als Zeichen von Vernachlässigung oder sozialem Fehlverhalten gewertet. Dabei ist Schwitzen natürlich und individuell – doch gesellschaftlich wird es kaum neutral wahrgenommen.

 

Gerüche tragen auch soziale Informationen. Menschen, die über wenig Wohnraum verfügen, kochen und schlafen möglicherweise im selben Raum, wo auch die Wechselkleidung lagert. Schnell nimmt dann alles einen Geruch von alledem an. Und während man sich in manchen Kulturen nur gelegentlich wäscht, schrubben wir uns hier täglich mit duftenden Duschgel ab, cremen uns mit parfümierten Lotions ein und geben hinterher noch eine Wolke Eau de toilette darüber. Körpergeruch, weg. 

 

Auch die Bitte, an jemandem zu riechen, ruft oft Peinlichkeit oder Irritation hervor – obwohl Gerüche in der Tierwelt eine selbstverständliche Form der Kommunikation sind. Ich denke da nur an den Hund von Freunden, der seine Nase erstmal zwischen meine Beine steckt. Peinlich!

 

Bei uns Menschen ist Riechen etwas “Privates”, das mit Scham, Erotik oder Dominanz assoziiert wird. Wer “stinkt”, überschreitet symbolisch eine Grenze.

 

Das zeigt: Unsere kulturelle Prägung entscheidet maßgeblich darüber, welche Gerüche wir akzeptieren oder ablehnen – nicht der Geruch an sich.

 

In der Literatur eröffnet das große Spielräume: Eine Figur, die sich für ihren Geruch schämt, kann tiefe gesellschaftliche Dynamiken spiegeln. Umgekehrt kann eine Szene, in der jemand bewusst auf einen Geruch hinweist oder jemanden “an sich riechen lässt”, Nähe, Rebellion oder Grenzüberschreitung markieren.

 

Kommen wir zurück zur Sprache: Die ist voll mit Redewendungen rund um den Riechzinken. Und diese können wir natürlich auch benutzen, modifizieren, auseinandernehmen und kreativ neu zusammenstecken. 

 

Bestimmt fallen dir noch mehr ein als diese, die ich dir aufgelistet habe. 

 

Dufte Redewendungen

Redewendung

Bedeutung

Den Braten riechen

Eine Gefahr oder ein Problem frühzeitig erkennen

Jemandem nicht riechen können

Eine Person nicht mögen, oft ohne konkreten Grund

Etwas riecht nach Ärger

Es kündigt sich ein Problem oder Konflikt an

Etwas riecht faul

Es ist verdächtig oder wirkt unehrlich

Den Hals nicht voll kriegen, das riech ich doch!

(salopp) Eine gierige oder durchsichtige Absicht durchschauen

Es riecht nach Ärger/Stress

Eine angespannte oder problematische Situation deutet sich an

Etwas riecht streng

(wörtlich, aber oft auch übertragen) Es ist unangenehm oder unpassend

Einen guten Riecher haben (für etwas)

Ein gutes Gespür oder Intuition für etwas besitzen

Der kann den Morgenwind riechen

(altmodisch) Jemand erkennt kommende Entwicklungen frühzeitig

Jemandem etwas nicht unter die Nase reiben / stecken / recken

Jemandem unangenehm die Wahrheit oder Kritik präsentieren (nicht wörtlich, aber nahe beim Thema „Geruch“)

Etwas riecht wie verhext

Es ist unheimlich, mysteriös oder unerklärlich


Das gibt es nicht bei Douglas - moderne Geruchs-Künstler:innen

In der heutigen Parfümerie geht es längst nicht mehr nur um wohlriechende Düfte – vielmehr erzählen moderne Parfümeur:innen ganze Geschichten mit ihren Kreationen. Sie fangen die Atmosphäre von Städten ein, erforschen historische Duftbezüge und komponieren olfaktorische Erzählungen, die Emotionen und Erinnerungen hervorrufen. Ein Beispiel hierfür ist das französische Label L’Atelier Parfum, dessen Parfümeur:innen die Visionen und Gefühle ihrer Kund:innen in Düfte übersetzen, um deren Welt intelligent und emotional zu unterstreichen. 

 

Ein herausragendes Beispiel für die Verbindung von Duft und Kunst ist der „Smeller 2.0“, eine Geruchsorgel des österreichischen Künstlers Wolfgang Georgsdorf. Dieses elektronische Instrument ermöglicht das Komponieren und präzise Aussenden von komplexen Geruchssequenzen, die mit Klängen, Filmen, Texten oder Theater synchronisiert werden können. Diese neue Form der olfaktorischen Kunst nennt Georgsdorf „Osmodrama“ – eine Kombination aus den griechischen Wörtern für Geruch („osme“) und Handlung („drama“). Osmodrama wurde erstmals 2016 in Berlin vorgestellt und bietet ein neuartiges sensorisches Erlebnis, bei dem Gerüche als narrative Elemente eingesetzt werden. 

 

 

Diese Entwicklungen zeigen, wie Gerüche nicht nur als sinnliche Eindrücke, sondern auch als künstlerische Ausdrucksformen genutzt werden können. Sie eröffnen neue Möglichkeiten für das Schreiben und Erzählen, indem sie Emotionen und Erinnerungen auf einer tiefen, oft unbewussten Ebene ansprechen.

 

wenn dich das interessiert, kann ich dir diesen Beitrag empfehlen: Smell it - Der Duft der Kunst / BR Nachtstudio

Wem ist es bisher gut gelungen?

Wenn wir an duftende Literatur denken, fällt uns vermutlich zuerst Patrick Süskinds "Das Pafüm" ein - ein Meisterwerk der schaurigen Schnupperschmöker. 

 

Aber andere können auch ganz gut mit der Nase schreiben. Explizit um Gerüche geht es in der Kinderbuchreihe "Die Duftapotheke" von Anna Ruhe. 

 

Oder wie wäre es mit Fleisch-Ekel mit Geruchsfaktor? Dann schnupper doch mal rein in "Die Vegetarierin" von Han Kang. 

 

Wer lieber vom Experten ein SAchbuch über das Riechen lesen will, ist gut beraten mit Paul Divjak "Der Geruch der Welt" oder "Die Lust am Duft" von Hanns Hatt. Dem kann man auch ganz wunderbar zuhören, zum Beispiel hier bei ARD Alpha

 

Aber Vorsicht, nicht überall wo Duft draufsteht ist auch literarisches Schnupperpotenzial drin! 

Was tun wenn es nach alten Büchern riecht?

Für viele Bibliophile ist der Geruch alter Bücher ein olfaktorischer Schatz – eine Mischung aus Geschichte, Abenteuer und Nostalgie. Doch manchmal kippt die Romantik, und der Duft wird zum muffigen Mief. Was tun, wenn das geliebte Antiquariat mehr nach Keller als nach Klassik riecht?

 

Natron ist ein bewährter Helfer: Einfach zwei Esslöffel in eine Papiertüte geben, das Buch hineinlegen, die Tüte verschließen und eine Woche ruhen lassen. Das Natron absorbiert unangenehme Gerüche effektiv. 

 

Einfrieren ist eine weitere Methode: Das Buch in Zeitungspapier wickeln, in eine Plastiktüte stecken und für etwa 24 Stunden ins Gefrierfach legen. Dies kann helfen, Gerüche zu neutralisieren. 

 

Katzenstreu kann ebenfalls Wunder wirken: Das Buch in eine luftdicht verschlossene Box mit frischem Katzenstreu legen. Nach einigen Tagen sollte der Geruch deutlich reduziert sein. 

 

Doch Vorsicht: Manche Literaturkenner argumentieren, dass der Geruch alter Bücher Teil ihrer Seele ist. Wie die Frankfurter Allgemeine Zeitung einst schrieb, könnte das Entfernen des Geruchs einem “Seelenraub” gleichkommen. 

 

 

Letztlich bleibt es eine Frage des persönlichen Empfindens: Möchte man den Duft der Vergangenheit bewahren oder lieber in geruchsneutraler Frische lesen? In jedem Fall gilt: Ein bisschen Liebe und Pflege schaden keinem Buch – und manchmal ist ein Hauch von Geschichte genau das, was eine Geschichte braucht.

 

Aber eine Frage hab ich noch: 

Wie soll ich eine ganze Bibliothek ins Gefrierfach kriegen? 

Kommentar schreiben

Kommentare: 0

Vera Gercke

Hessenweg 150

50389 Wesseling

 

E-Mail: mail@veragercke.de  

Mobil: 0176-99179653

 

UmSt ID: DE322253357

 

Copyright by Vera Gercke 2025

 

Fotos von Mira Mikosch