
Bin-De-Strich: Zauberlinie oder Zweckgerade?
Bindestriche – diese kleinen horizontalen Striche, die manchmal so unscheinbar wirken, haben es in sich. Sie können Texte strukturieren, Klarheit schaffen und sogar das Lesen erleichtern. Doch wer hat eigentlich beschlossen, dass dieser Strich so eine wichtige Rolle im Deutschen spielt? Und gibt es andere Sprachen, die ähnliche Regeln (oder Regel-Chaos) haben? Lass uns das mal auseinanderdröseln.
Bindestriche: Wozu sind sie gut?
Der Bindestrich hat zwei Hauptaufgaben in der deutschen Sprache:
Verbindungen schaffen:
Der Bindestrich kommt zum Einsatz, wenn zwei oder mehr Worte zu einer Einheit werden sollen.
Beispiele:
T-Shirt
Oldtimer-Liebhaber
Verwirrung vermeiden:
Wenn Worte in Kombination sonst schwer lesbar oder mehrdeutig wären, rettet der Bindestrich die Klarheit.
Beispiel:
Druckerzeugnis-Hersteller (ein Hersteller von Druckerzeugnissen, nicht ein Druckerzeugnis, das Dinge herstellt).
Die wichtigsten Regeln im Umgang mit Bindestrichen
Es gibt tatsächlich klare Regeln, wie du den Bindestrich benutzen darfst (auch wenn sie nicht immer so wirken):
Zusammensetzungen mit Zahlen oder Buchstaben:
100-prozentig
S-Kurve
Wortgruppen als Adjektiv:
das up-to-date-Design
die nicht-zu-unterschätzende Gefahr
Zur Hervorhebung oder Strukturierung:
Schnell-mal-drüber-lesen
Was-ich-schon-immer-wissen-wollte-Moment
Nicht erlaubt (aber oft gemacht):
Der Bindestrich als Ersatz für ein Leerzeichen in Kombinationen wie „Männer-WG“ oder „Kinder-Buch“. Das korrekte Wort wäre „Männerwohngemeinschaft“ oder „Kinderbuch“ (wenn auch weniger lesefreundlich).
Und weißt du was: Diese "verbotene Verwendung" liebe ich besonders - und benutzt sie auch. 🤭
Gibt es der Bindestrich ein deutsches Phänomen?
Definitiv nicht!
Der Bindestrich (Hyphen) hat internationale Verwandte:
Englisch: Im Englischen ist der Bindestrich auch verbreitet, vor allem bei zusammengesetzten Wörtern wie “state-of-the-art” oder bei Zahlen wie “twenty-five”.
Anders als im Deutschen werden jedoch viele Zusammensetzungen eher als Einzelwörter geschrieben (“notebook” statt “Note-book”).
Französisch: Hier dient der Bindestrich unter anderem dazu, bestimmte Wortgruppen wie Zahlen zu verbinden (“vingt-et-un” für 21). Auch in Eigennamen spielt er eine Rolle (“Jean-Luc”).
Andere Sprachen: Italienisch oder Spanisch nutzen den Bindestrich eher selten, während er im Koreanischen für die Transkription ausländischer Wörter verwendet wird.
Kurz gesagt: Der Bindestrich ist ein Kosmopolit, aber bei uns fühlt er sich besonders wohl.
Der Bindestrich als Lesestütze
Wo wären wir ohne ihn?
Bei Bandwurmwörtern wie „Bandwurmwörtersammelcontainer“ könnte er vielleicht für Ordnung sorgen:
Bandwurm-Wörter-Sammel-Container
Bandwurm-Wörter-Sammelcontainer
Bandwurmwörter-Sammelcontainer
Tatsächlich hilft er oft, Wortbedeutungen auf den ersten Blick zu erkennen, etwa bei:
Urlaubsplanungs-Stress (der Stress bei der Planung, nicht eine stressige Planung des Urlaubs).
Doch Vorsicht: Zu viele Bindestriche wirken chaotisch oder übertrieben, wie in „der-ich-hab-keine-Lust-mehr-zu-lesen-Text“.
Bindestrich oder Gedankenstrich - welcher ist denn jetzt welcher?
Ein kurzer Exkurs zu den verschiedenen Strichen:
Bindestrich (-):
Verbindet Worte oder Teile von Worten.
Beispiele: T-Shirt, 100-prozentig, Oldtimer-Liebhaber.
Gedankenstrich (–):
Wird verwendet, um Gedanken einzuschieben oder einen Satz zu gliedern.
Beispiele: „Das Wetter war herrlich – zumindest bis zum Nachmittag.“
Er wird auch als Ersatz für „gegen“ in Listen verwendet: „Bayern – Dortmund 2:1“.
Merksatz: Der Bindestrich verbindet, der Gedankenstrich trennt oder hebt hervor.
Und wie war das noch mal mit den Leerstellen?
Der Bindestrich duldet keine Leerstelle in seiner Nähe, schließlich will er verbinden, klebt also Wörter zusammen.
Der Gedankenstrich will gerne als Individuum wahrgenommen werden. Er will vorne und hinten Platz haben: Also Leerstellen einfügen.
Kapito?
Fa-Zit
Der Bindestrich ist kein Luxus, sondern ein Werkzeug.
Richtig eingesetzt sorgt er für Klarheit und Struktur. Dafür liebe ich ihn 💕💋
Doch wie bei allem gilt: Weniger ist manchmal mehr.
Wer den Bindestrich überstrapaziert, riskiert, dass der Leser vor lauter Strichen den Faden verliert (hahaha).
Praxistipp
Wenn du ein zusammengesetztes Wort beim Lesen nicht gut erfassen kannst oder es missverständlich ist, dann ist das der Moment, um sich einen Bindestrich zu kaufen.
Bonus
Bastelanleitung: So bastelst du dir deinen eigenen Bindestrich
Zutaten:
1 Kugelschreiber (gerne blau)
1 Lineal (für Perfektionist:innen)
1 Klebezettel oder anderes Stück Papier
1 Schere
1 Scheibe Toastbrot
Anleitung:
1) Nimm das Papier und zeichne mit dem Kugelschreiber und unter zur Hilfenahme des Lineals eine perfekt horizontale Linie von 11 mm Länge.
2) Schneide die Linie in Teilstücke von jeweils 1 mm Länge. Du kannst das Toastbrot hierfür bestens als Unterlage nehmen, denn wenn ein kleiner Strich herunterfällt, verfängt er sich in den Toastbrot-Poren und fällt nicht zu Boden (das Toast kann man ggf. einfach ausschütteln).
3) Fertig! Nun hast du 11 kleine Bindestriche. Da es sich um einen wiederverwendbaren Bindestrich handelt, kannst du jetzt 10 davon an andere Autor:innen weitergeben.
Den handgemachten Bindestrich kannst du jetzt ganz nach Belieben zwischen deine Wörter setzen, die du gerne verbinden möchtest.
Beim nächsten Mal zeige ich dir, wie du dir ein Gendersternchen (Gender-Sternchen) vom Himmel pflückst.
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