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Bechdel-Test für Autor:innen - Ein feministischer Kompass für Geschichten

In der Literatur und in den Medien begegnen wir Frauen – als Protagonistinnen, Sidekicks, Bösewichte oder Love Interests.

 

Doch wie oft sind diese Frauen wirklich mehr als nur Anhängsel der Handlung? Wie oft haben sie eine eigene Stimme?

 

Der Bechdel-Test ist ein einfaches, aber kraftvolles Werkzeug, um diese Frage zu beantworten.

 

Heute werfen wir einen Blick darauf, was der Bechdel-Test ist, warum er entwickelt wurde und wie du ihn als Autorin in deinem eigenen Schreiben berücksichtigen kannst.

 

Wir könnten uns auch fragen: Brauchen wir den heute noch - mal sehen, was uns dazu am Ende noch einfällt. 

Was ist der Bechdel-Test?

Der Bechdel-Test, auch als Bechdel-Wallace-Test bekannt, wurde 1985 von der Comiczeichnerin Alison Bechdel in ihrem Comic „Dykes to Watch Out For“ vorgestellt.

 

In einem satirischen Strip unterhalten sich zwei Frauen über die Frage, ob sie einen Film ansehen wollen. Eine von ihnen erklärt ihre drei Bedingungen:

 

1. Es müssen mindestens zwei Frauen vorkommen.

2. Diese Frauen müssen miteinander sprechen.

3. Ihr Gespräch darf sich nicht nur um einen Mann drehen.

 

Das klingt machbar, oder? Doch überraschend viele Filme und Bücher fallen bei diesem scheinbar simplen Test durch.

Warum wurde der Bechdel-Test entwickelt?

Der Bechdel-Test entstand aus der Frustration über die Art und Weise, wie Frauen in Filmen und Büchern dargestellt werden – oder besser gesagt, wie wenig sie überhaupt vorkommen. Frauen wurden (und werden oft noch) als Nebenfiguren geschrieben, deren Existenz sich um Männer dreht: der Love Interest, die Mutter, die Femme Fatale.

 

Der Test hinterfragt nicht nur die Anzahl der Frauenfiguren, sondern auch ihre Autonomie. Es geht darum, ob Frauen in Geschichten als eigenständige Menschen mit Zielen, Wünschen und Gedanken existieren – oder ob sie nur Staffage sind.

 

Seit 2013 ist das Bestehen des Bechdel-Tests ein wichtiges Kriterium um in Europa eine Filmförderung zu erhalten. 

 

Und dann haben die Expertinnen auch in Büchern angefangen zu zählen: Mann, Mann, Mann Frau, Mann, Mann, Mann, Mann, Frau ... Und, siehe da! 51% der getesteten Bücher, die auf dem Lehrplan für "Master of Arts" standen,  haben 2019 den Test nicht bestanden.

 

Huiuiui. 

Warum ist der Bechdel-Test wichtig?

Der Test ist kein Maßstab für Qualität, sondern ein Werkzeug, um auf systemische Ungleichheiten aufmerksam zu machen.

 

Wenn du bemerkst, dass ein Buch oder Film den Test nicht besteht, zeigt das, wie tief patriarchale Muster in unseren Geschichten verwurzelt sind.

 

Der Bechdel-Test zwingt uns dazu, zu hinterfragen:

 

  • Wessen Geschichten erzählen wir?
  • Wessen Perspektiven bleiben unsichtbar?
  • Wie wichtig und ernst werden Frauen in dieser Geschichte genommen? 
  • Trägt die Geschichte dazu bei, Gleichberechtigung zu denken?

Den Bechdel-Test ins Schreiben integrieren: Ein feministischer Blick

Als Autorin hast du die Macht, Geschichten anders zu erzählen.

 

Der Bechdel-Test kann dabei ein wertvolles Werkzeug sein – nicht als strikte Regel, sondern als Bewusstseinsübung.

 

Hier ein paar Überlegungen, wie du ihn in dein Schreiben einfließen lassen kannst:

1. Erstelle komplexe weibliche Figuren

Frage dich: Was will meine weibliche Figur? Was treibt sie an? Und vor allem: Ist sie mehr als nur eine Reaktion auf die Männer in der Geschichte?

 

Weibliche Figuren verdienen Tiefe und Nuancen – genau wie ihre männlichen Gegenstücke.

Und sie sind nicht dafür da, emotional blockierte Männer aufzufangen. 

2. Schaffe Räume für Gespräche zwischen Frauen

Echte, tiefgehende Dialoge zwischen Frauen sind selten in der Literatur.

 

Überlege: Worüber könnten sie sprechen, außer über Männer? Vielleicht über ihre Arbeit, Träume, Freundschaften, Politik oder Klimaschutz? 

3. Gib Frauen Handlungsmacht

Frauen sollten nicht nur “passieren”, sondern aktiv handeln. Sie können Fehler machen, scheitern, wachsen – Hauptsache, sie haben einen eigenen Antrieb.

 

Und: Dieser Antrieb sollte bestenfalls nicht dazu führen, Männern den Rücken freizuhalten oder sich um sie zu kümmern, mit Liebe zu versorgen oder ihnen gefühlsmäßig auf die Sprünge zu helfen. 

4. Hinterfrage Geschlechterrollen

Traditionelle Rollenbilder schränken Figuren ein.

 

Deine Heldin muss nicht perfekt, selbstlos oder “nett” sein.

 

Schreibe Frauen, die eigensinnig, unbequem oder einfach nur menschlich sind. Übrigens: Sie können auch aggressiv und berechnend sein. 

5. Integriere Vielfalt

Der Bechdel-Test ist ein Anfang, aber nicht das Ende.

 

Denk darüber nach, wie du Frauen aus verschiedenen Lebensrealitäten – queer, of Color, mit Behinderung – in deine Geschichten einbindest. Feminismus ist intersektional.

Was bringt der Bechdel-Test für dein Schreiben?

Die Anwendung des Bechdel-Tests macht deine Geschichten nicht automatisch „besser“.

 

Aber er zwingt dich, bewusster über die Figuren und Beziehungen in deinem Text nachzudenken. Und das macht dein Schreiben nicht nur feministischer, sondern auch reicher, spannender und vielfältiger.

 

Aber feministischer würde auch keiner schaden ... 😉

Fazit: Frauen gehören ins Zentrum der Geschichten

Der Bechdel-Test ist mehr als ein Check auf einer feministischen To-Do-Liste – er ist ein Spiegel, der uns zeigt, wie wir schreiben und lesen. Und: wie wir über Frauen denken (ja, auch wir Frauen selbst dürfen das regelmäßig hinterfragen). Er hilft uns, unsere eigenen Vorurteile zu prüfen und Raum für neue Perspektiven zu schaffen.

 

Denn gute Geschichten sind Geschichten, in denen alle Stimmen gehört werden – nicht nur die lautesten. Und in denen neue Lebens- und Denkmodelle getestet, vorgestellt, ausprobiert werden können. 

 

Also, liebe Autorinnen, wie wäre es, wenn eure nächste Szene den Bechdel-Test besteht? Vielleicht wird es sogar die Szene, die eure Leser:innen nie wieder vergessen werden.

 

Denn: Wir wollen nicht nur gute Gespräche mit Freundinnen führen - wir wollen auch gute Dialoge über und von Frauen lesen. 

 

Und wenn du Lust hast, dein Schreiben feministischer und bewusster zu gestalten, dann lass dich nicht von mir aufhalten.

 

In meinem Roman "Moormutter", den ich gerade schreibe, gibt es nur einen Mann - und der auch noch eine sehr spezielle Rolle. Du darfst also gespannt sein.

 

💪✍️

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