Die Kunst des Storytellings durch visuelle Inspiration
Filmemacherinnen und Autorinnen haben mehr gemeinsam, als es auf den ersten Blick scheint. Beide wollen das Publikum fesseln, Emotionen hervorrufen und eine mitreißende Geschichte erzählen.
Regisseurinnen sind darauf angewiesen mit visuellen Mittel zu arbeiten. Davon können sich Autorinnen jede Menge abgucken, um kraftvolle und lebendige Storys zu erzählen.
Hier ein paar Tipps aus der Filmregie, die du in dein Schreiben integrieren kannst.
Perspektive: Die Kamera lenkt den Blick
Im Film wird die Perspektive durch die Kamera bestimmt. Genauso kannst du als Autorin den Blick der Lesenden auch steuern.
Überleg dir genau, aus wessen Perspektive du eine Szene erzählst und wie das die Wirkung verändert. Eine Szene aus der Vogelperspektive wirkt distanziert und objektiv, während die Ich-Perspektive den Leser mitten ins Geschehen zieht. Du kannst sogar während einer Szene das Objektiv wechseln, also den Blickwinkel verändern, du kannst die Kamera bewegen, das Objekt der Betrachten heranzoomen oder sich entfernen lassen.
Was du beim Schreiben innerhalb einer Szene besser nicht machst: Eine zweite oder dritte Kamera hinzuzuziehen (es sei denn du erzählst auktorial, aber das besprechen wir in einem separaten Artikel).
Die Wahl der „Kamera“ – also der Erzählinstanz – ist entscheidend für die emotionale Verbindung zu deinen Figuren.
Erzähltechnik: Zeig´s mir!
Ein guter Film zeigt Bilder, die selbsterklärend sind: ein Kürbis neben der Hautür weist auf den Herbst hin, ein unkontrolliert entgegenkommendes Auto lässt einen bevorstehenden Unfall befürchten, eine Person mit Autoschlüssel in der Hand auf einem leeren Parkdeck erzählt von einem gestohlenen Fahrzeug.
Diese Maxime "zeigen statt erklären" gilt genauso für dein Schreiben. Statt zu sagen, dass deine Figur nervös ist, zeig es in Bildern: Lässt sie die Finger über den Tisch trommeln, hat sie Schweißperlen auf der Stirn oder spricht sie schneller?
Überlege, wie du Emotionen und Stimmungen visuell darstellen kannst, anstatt sie nur zu beschreiben. So wird deine Geschichte lebendiger und „kinoreif“.
Schnitt: Dynamik durch Timing
Die Dynamik eines Films entsteht vor allem durch die Schnitt-Technik. Schau dir das mal genau an. Vieles davon kannst du in deinem Schreiben ebenfalls umsetzen.
Überlege, wann du Szenen schnell schneidest, um die Spannung hochzuhalten, oder wann du eine Szene „langsam ausspielst“, um den Moment zu dehnen.
Ein abrupter Szenenwechsel oder ein Perspektivensprung kann überraschende Wendungen erzeugen, während längere Passagen den Leser in den Bann ziehen. Experimentiere mit der Länge deiner Absätze und Kapiteleinteilung, um Tempo zu steuern.
Szenengestaltung: spät einsteigen, früh aussteigen
Gute Filmszenen brauchen keine erklärende Einleitung. Die Zuschauenden werden mitten ins Geschehen geworfen. Auch als Autorin kannst du direkt in die Action starten, anstatt mit langen Vorreden Zeit zu verlieren.
Überlege dir, wie du Leser mit einem packenden Einstieg in deine Szenen ziehst. Ebenso wichtig: Der Ausstieg. Beende eine Szene mit einem offenen Ende oder einem Twist, der neugierig macht, sodass der Leser unbedingt weiterlesen will. Cliffhanger funktionieren nicht nur in Serien!
Merke dir: Steige so spät in eine Szene ein wie möglich – am besten da, wo der Konflikt sichtbar wird – und steige sie früh wie möglich wieder aus.
Dialoge: klingt wie echt - ist es aber nicht
Im Film ist der Dialog oft knapp und auf den Punkt – keine Figur hält lange Reden, die alles erklären. Schlagfertigkeit, Überraschung, Subtext und Witz sind hier oberstes Gebot.
Auch in Büchern gilt: Dialoge sollten zwar echt wirken, aber niemals 1:1 gesprochene Sprache wiedergeben.
Übe dich darin, deine Figuren reden zu lassen, ohne dass sie alles aussprechen. Was zwischen den Dialogzeilen steht, ist oft spannender als das, was laut gesagt wird. Beobachte, wie Menschen in deinem Alltag sprechen, und übertrage diese Authentizität in deine Texte und lasse dabei alles Überflüssige wie Small Talk, Höflichkeitsfloskeln und gesprächbegleitende Geräusche weg.
Fazit: Ticket ins Kopfkino
Als Autorin kannst du dir die filmischen Techniken zunutze machen, um deine Geschichten „größer“ und lebendiger zu gestalten. Überleg dir, wie Regisseurinnen ihre Filme aufbauen – wie sie mit Perspektiven spielen, Schnitte setzen und Dialoge inszenieren – und wende das auf dein Schreiben an.
So wird dein Roman nicht nur gelesen, sondern auch gesehen.
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