"Ich verstehe nicht, warum ich nicht von links auftreten kann.", schimpft Julia.
"Weil das völlig unlogisch ist.", erklärt die Regieassistentin zum dritten Mal. "Das hat Mark dir doch erklärt." Mark ist der Regisseur.
"Aber...", setzt Julia noch mal an. Ihre Stimme ist porös.
"Kein Aber mehr!", wettert Mark aus der Regie. "Vorhang auf!"
Aber Julia kann sich nicht mehr konzentrieren. Der Text ist weg. Sie hat einen Hänger nach dem anderen. Tränen fließen. Mark ist erst wütend, dann verzweifelt. Das wollte er doch nicht. Wenn er gewusst hätte...
Julia verschwindet in der Garderobe. Heute geht gar nichts mehr.
Zum Glück hat das Theater eine Mediatorin an der Hand, die in solchen Fällen spontan einen Termin einräumen kann. Und die kennt sich aus mit Menschen wie Julia und Mark, die ihren Lebensunterhalt damit verdienen, immer alles zu geben, die täglich ihr Innerstes nach Außen kehren und deren Kapital Körper und Emotionen sind.
Am nächsten Morgen hört sie sich die Sorgen der beiden an. Julia erzählt von ihrem Lampenfieber und davon, dass ihr Vater im Sterben liegt und sie nicht weiß, ob sie ihn noch mal sehen wird... Und Mark kann endlich mal jemanden anvertrauen, dass seine Vertragsverlängerung davon abhängt, ob die Produktion gut läuft. Kein Wunder, dass alle dünnhäutig sind.
Nachdem die beiden ihre Sorgen losgeworden sind, haben sie auch wieder die Kraft, einander zuzuhören. Ja, wenn man das gleich gewusst hätte...
Jetzt ist der Raum bereitet, um eine gemeinsame Strategie für die Zukunft zu erarbeiten. Und das geht dann wie am Schnürchen, denn die beste Lösung liegt bereits auf der Hand.
Julia bekommt einen Tag frei, um ihren Vater zu besuchen und garantiert Mark dafür, dass sie alles tun wird, dass die Premiere ein Knaller wird. Dafür tritt sie auch gerne von rechts auf, wenn das der Sache dienlich ist. No problem!